Tue Greenfort
KORN
Alte Sorten: Eine Frage der Ähre
Ob in Nudeln, Brot, Kuchen oder Bier – Getreide konsumieren wir nahezu täglich. Neben den aktuell zumeist verwendeten Hybridgetreidesorten, wie Weizenmehl oder Brotweizen, rücken Urgetreidesorten langsam wieder in den Fokus. Urgetreide wurden vor vielen Tausend Jahren angebaut, bevor sie fast gänzlich von dem vermeintlich effizienterem Hybridsaatgut verdrängt wurden. Für ein Zurückgreifen auf alte Getreidearten gibt es aber viele gute Gründe: mehr Vielfalt auf den Feldern, ernährungsphysiologische Vorteile, der besondere Geschmack, Naturbelassenheit, Resistenzen gegen Krankheiten aber auch sozialpolitische und ökologische Gründe.
So berichtet die Züchterin alten Saatgutes, Rahibai Popere, wie die Umstellung auf Hybridsaatgut die Landwirte in ihrer Heimat Indien in eine langfristig aussichtslose Situation bringt: „Die Landwirte nehmen Kredite auf, um bei großen Produzenten das Saatgut und die Düngemittel für den Anbau zu kaufen. Schließlich aber geht der Ertrag zurück, weil das Saatgut unsere Böden schwächt. Da sie kein Geld haben, um die Kredite zurückzuzahlen, wird es für die Landwirte schwierig, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Man muss ihnen helfen, indem man ihnen die Vorteile des einheimischen Saatguts aufzeigt.“
Der Ausstellungsraum sp a c e d ou t und das Gut Kerkow in Zusammenarbeit mit der Galerie König freuen sich, mit der Ausstellung KORN ein gemeinsames Projekt des dänischen Künstlers Tue Greenfort in Kollaboration mit dem Saatgutverein VERN e.V. vorstellen zu können.
Tue Greenfort ist bekannt für Kunstwerke, die sowohl ein starkes ökologisches Bewusstsein widerspiegeln als auch erzeugen. Der Künstler begreift die Menschheit als marginalen Teil eines viel größeren Ganzen und verknüpft die Frage des Fortschritts – sei dieser technischer, kultureller oder zwischenmenschlicher Natur – mit der Fähigkeit, wie wir unsere Position in der Welt umzudenken und neu zu gestalten vermögen. Vor dem Hintergrund globaler Zusammenhänge fragt Greenfort nach unserem Umgang mit Umwelt- und Artenschutz sowie mit Ressourcen und Nachhaltigkeit in Hinblick auf die Verknappung bestimmter Rohstoffe und stellt diese Themen zum System der Kunst in Bezug. Seine Projekte zeichnen sich durch eine interdisziplinäre Offenheit und umfassende Recherchen aus.
Für die Ausstellung KORN nahm Tue Greenfort Kontakt zu dem in Ortsteil Greiffenberg / Angermünde ansässigen Saatgutverein VERN e.V. auf, um gemeinsam einen kritischen Blick auf die Steigerung der Effizienz durch die Hochzüchtung von Nutzpflanzen – im speziellen Getreide -, Monokulturalisierung und deren Folgen zu werfen und fachlich zu unterlegen. VERN e.V. ist ein Verein, der es sich zur Aufgabe macht, alte und seltene Kulturpflanzen zu erhalten und diese zugänglich zu machen; das Wissen über Anbau, Umgang und Nutzung dieser Pflanzen weiterzugeben und die Erinnerung und Kenntnis um die besondere Kultur- und Züchtungsgeschichte von Nutzpflanzen zu bewahren. In seinem zentralen Schau- und Vermehrungsgarten erhält der Verein eine Sammlung von Nutz- und Zierpflanzen mit mehr als 2.000 Herkünften.
Tue Greenfort durfte für sein Projekt im Juli diesen Jahres mehrere Urgetreidepflanzen unterschiedlicher Sorten aus dem Schau- und Vermehrungsgarten des Vereins entnehmen, um von diesen in ihrer gesamten Erscheinung mitsamt Ähre, Halm und Blättern Bronzeabgüße zu erstellen. Vier dieser Abgüsse werden im alten Kornspeicher des Gut Kerkow ausgestellt, weitere sechs im Rahmen einer Einzelausstellung des Künstlers in der Galerie König in Berlin. Neben den Bronzeskulpturen der Urgetreidepflanzen Greenforts präsentiert der Saatgutverein VERN e.V. zusätzlich einen antiken Keimschrank mit Saatgutsprossen, Saatgut alter Sorten und Informationsmaterial und Hintergrundwissen zum Thema Urgetreidesorten und deren Erhaltung und Verwendung. Zur Eröffnung werden auch Mitarbeiter des Vereins zugegen sein und dem interessierten Publikum mit ihrem Fachwissen Rede und Antwort stehen.